Situation und Bedarfe von Frauen ohne Papiere und von Prostituierten | 4. Fachtag

Sprachliche Verständigung ist im Beratungssetting von besonderer Bedeutung. Daher ist es für Beratungsstellen in der Beratung von Migrantinnen ohne oder mit wenig deutschen Sprachkenntnissen häufig notwendig, eine Person zur Sprachmittlung heranzuziehen. Eine weitere Person in der Beratungssituation bringt neben der sprachlichen Unterstützung allerdings auch besondere Herausforderungen mit sich.

Diese Herausforderungen und Besonderheiten galt es in einer Tagung herauszuarbeiten und diskutieren. Am 27.09.2022 haben wir im Rahmen des Projektes „Worte helfen Frauen“ zur online-Tagung „Beratung mit Übersetzung – Situation und Bedarfe von Frauen ohne Papiere und von Prostituierten“ eingeladen.

Dabei stellten wir zwei Zielgruppen in den Mittelpunkt, deren Lebenssituation und Bedarfe zu kennen auch für Beratungsstellen von besonderer Bedeutung ist: Frauen ohne Papiere und Prostituierte.

Für den fachlichen Input waren vier Expertinnen und Experten dabei:

Den Anfang machten Saskia Apelt-Schunk und Bernadeta Kuclo von der Fachberatungsstelle Phoenix e.V. aus Hannover (www.phoenix-beratung.de). Sie informierten über Rahmenbedingungen der Sexarbeit in Deutschland und ermöglichten den Teilnehmenden einen Einblick in ihre alltägliche Arbeit. Neben allgemeinen Informationen zur Beratungsstelle, dem breiten Spektrum der Tätigkeitbereiche und Angebote, gingen die Referentinnen auch auf die rechtlichen Grundlagen der Sexarbeit in Deutschland ein. Besonders deutlich wurden dabei die Herausforderungen und Besonderheiten der aufsuchenden Arbeit. Eine direkte Ansprache und vertrauensbildende Maßnahmen an den Orten, an denen Sexarbeit stattfindet, steigere den Bekanntheitsgrad der Beratungsstelle (und dessen Unterstützungsmöglichkeiten) und baue gleichzeitig Berührungsängste/ Hemmschwellen ab.

Johannes Schwietering von Medinetz Hannover e.V. referierte im Anschluss über die Medizinische Versorgung von Frauen ohne Papiere. Medinetz Hannover e.V. (www.medinetz-hannover.de) vermittelt medizinische Behandlung für Menschen ohne Aufenthalts- und Krankenversicherungsstatus und fordert im öffentlichen und politischen Diskurs die Abschaffung ausgrenzender Gesetze, um Menschen ohne Papiere den Zugang zu Gesundheitsleistungen zu ermöglichen. Hier finden Sie die PowerPoint-Präsentation zum Download

Delaram Shafieioun vom Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen e.V. (www.ntfn.de) referierte über die „Beratung zu dritt“ und die „Besonderheiten, Herausforderungen und Empfehlungen“. Dabei ist sie u.a. auf die Notwendigkeit von Sprachmittlung in Beratungs- und Therapiegesprächen eingegangen und hat verdeutlicht, dass es kaum Alternativen gibt. Der Einsatz von Sprachmittlung habe einen positiven Einfluss auf die Beratung und sei äquivalent zu muttersprachlicher Beratung. Betroffene, die nicht der Beratungssprache mächtig seien, könnten ihre Gefühle am besten in der Muttersprache zum Ausdruck bringen. Im Anschluss informierte Frau Shafieioun über allgemeinen Regeln in Dolmetschersituationen, die erfolgreiche Gestaltung von Vor- und Nachgesprächen und über die Bedeutung einer klaren Rollenverteilung bei einer Beratung zu dritt: Beraterin/ Berater – Sprachmittlung – Betroffene/ Betroffener. Mehr dazu in der PowerPoint-Präsentation von Frau Shafieioun

In einer abschließenden Podiumsdiskussion ging es um die Bedarfe des Niedersächsischen Hilfesystems (freie und kommunale Beratungsstellen) im Hinblick auf die Beratung von Frauen ohne Papiere und Prostituierten. Im digitalen Podium waren neben den Referierenden dabei: Andrea Frenzel Heiduk, Leiterin des Referats (202) Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Prostituiertenschutzgesetz des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung und Maia Ceres vom Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. (www.berufsverband-sexarbeit.de).

Durch die Ausführungen von Frau Ceres konnten die Bedarfe von Sexarbeitenden auch aus der Perspektive von „Betroffenen“ ermittelt werden. Frau Ceres berichtete u.a., dass vielen Sexarbeitenden das Vertrauen zu öffentlichen Behörden fehlt und sie bei einem „Outing“ ihrer Tätigkeit Ablehnung und Diskriminierung befürchten (müssen). In diesem Zusammenhang machte sie auf das Projekt „Roter Stöckelschuh“ aufmerksam, welches Barrieren in der gesundheitlichen Versorgung und Beratung für Sexarbeitende abbauen möchte. Der Rote Stöckelschuh steht für Vertrauen, Respekt und Akzeptanz und soll die berufliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Sexarbeitenden fördern. (www.roterstoeckelschuh.de)

Die Online-Tagung war mit über 160 Teilnehmenden ein voller Erfolg. Sie richtete sich an (Beratungs-) Stellen, Fachbehörden (z.B. Gesundheits- und Ordnungsämter), Ärztinnen und Ärzte und Gleichstellungsbeauftragte, die Frauen in Not Beratung und Hilfe anbieten – insbesondere Frauen ohne Papiere und Prostituierte.

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