
Die Fachtagung „Mehr als Sprache- Qualitätssicherung bei Übersetzungen im Beratungskontext“, im Rahmen des Projekts „Worte helfen Frauen“ am Donnerstag, 08.11.2018 in Hannover war ein voller Erfolg. Die beeindruckenden Räumlichkeiten des Forum St. Joseph boten rund 80 Teilnehmenden die Möglichkeit, Expertinnen und Experten kennenzulernen und exzellente Fachvorträge zu hören. Außerdem lud die Veranstaltung zum individuellen Austausch ein. Die Teilnehmenden stammten aus den Bereichen Migration und Integration, Beratungseinrichtungen, Sprachmittlung oder Gleichstellung.
Durch den Einsatz eines modernen Moderations-Tools konnte bereits zu Beginn anschaulich abgefragt werden, mit welchen Erwartungen die Fachtagung besucht wurde:
Almut von Woedtke, Vorstandsvorsitzende des Projektträgers Gleichberechtigung und Vernetzung e.V., leitete durch den Tag und begrüßte als erste Rednerin die Niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Dr. Carola Reimann. Die Ministerin betonte, wie vorbildlich die Entwicklung des Projekts ist und legte den Fokus auf die unbürokratische Möglichkeit der Kostenabrechnung sowie auf den aktuellen Modellversuch des Telefondolmetschens, um spontane Dolmetscherleistungen zu ermöglichen.
Der aktuelle Stand
Im Anschluss klärten zwei Mitarbeiterinnen von kargah e.V. über die aktuelle Situation geflüchteter Frauen auf. Es wurde ein Input zu Fluchtursachen, den Problemen beim Eintreffen in Deutschland und letztlich den Schwierigkeiten beim Spracherwerb sowie Herausforderungen bei Beratungsgesprächen geboten. Gemeinsam mit Publikum und Referentinnen wurden für viele Themen Diskussionspotentiale ermittelt.
Ein Blick in die Forschung
Dr. Mike Mösko sprach anschließend über „Qualitäts(mindest)standards zur Qualifizierung von Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern“ und stellte die Forschungsergebnisse „ZwischenSprachen“ der Arbeitsgruppe Psychosoziale Migrationsforschung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vor. Nach der Präsentation der aktuellen Ausgangslage referierte Dr. Mösko über die Bedarfe, die von der Arbeitsgruppe erarbeitet wurden und stellte die Ergebnisse der umfangreichen Forschungsarbeit vor. Die aufgekommene Diskussion machte deutlich, dass eine Definition oder Absprache über die Rolle von Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern eine Grundlage für eine harmonische und für alle Beteiligten zufriedenstellende Zusammenarbeit ist. Die Folien zum Vortrag finden Sie hier.
Dolmetschen über Telefon
Aus Wien reiste Moschda Djalalyar von SAVD Videodolmetschen GmbH an und informierte die Teilnehmenden über den Service des Telefon- bzw. Videodolmetschens. Im September 2018 hat „Worte helfen Frauen“ einen Modellversuch aufgenommen. In der Zeit September 2018 bis Februar 2019 können einige Beratungsstellen im Rahmen des Projekts „Worte helfen Frauen“ den Service von SAVD erproben: Per Telefon können Dolmetscherinnen und Dolmetscher binnen 120 Sekunden auf diversen Sprachen hinzugeschaltet werden und datenschutzkonform ihre Dienstleistung anbieten. Alle Dolmetscherinnen und Dolmetscher verfügen über zertifizierte Sprach- sowie soziale Kompetenzen.
Die Rolle der Übersetzenden
Als letzte Rednerin wurde Meera Sivaloganathan begrüßt. Die Sprach- und Kulturmittlerin hat bereits bei dem letzten Fachtag „Übersetzen heißt Verantwortung“ im Jahr 2017 die „Basics“ professioneller Übersetzungsarbeit für Frauen im interkulturellen Kontext durch anschauliche Beispiele aus der praktischen Arbeit dargestellt. In diesem Jahr betonte sie, woran gute Übersetzerinnen oder Übersetzer erkannt werden können. Sie ging darauf ein, dass die dolmetschende Person dabei unbedingt Neutralität wahren muss. Die Gesprächsführung liegt grundsätzlich in der Verantwortung der Beratenden und darf sich nicht durch das Einbringen persönlicher stereotypischer Vorstellungen oder einer starken Solidarisierung mit der Klientin durch eine ähnliche ethnische Herkunft zu Gunsten der Dolmetscherinnen und Dolmetscher verschieben. Unter dem Motto „individualisieren statt kulturalisieren“ betont Meera Sivaloganathan, wie wichtig es ist, die Klientin als Individuum zu erkennen und keine Normbilder oder Vorurteile auf ihre Person zu übertragen. Kommentare der Dolmetschenden haben bei einer Übersetzungstätigkeit ebenso wenig Raum wie die eigene Geschichte oder individuelle Erfahrungen.
Diskussionspotenziale
Der Fachtag war ein bunter Strauß an Inputs und bot den Teilnehmenden die Möglichkeit sich aktiv an allen Themen zu beteiligen. Die Diskussionen haben eindeutig gezeigt, wie wichtig es ist, klar zu formulieren, was von den Dolmetscherinnen und Dolmetschern letztlich erwartet wird: Eine neutrale und professionelle Dolmetschung oder eine engagierte und sensible Ausübung, die die Arbeit der Beratenden auch um eine soziale Komponente ergänzt.
Es war eine deutliche Spannbreite zwischen den einzelnen Erwartungen der Teilnehmenden zu erkennen. Hierzu wäre es durchaus spannend in einen weiteren Austausch zu treten.
Ein großer Dank geht an unsere Referentinnen und Referenten dieser Tagung:
Irmak Kamli
Sevcan Tasdemir
Dr. Mike Mösko
Moschda Djalalyar
Meera Sivaloganathan
Andrea Frenzel-Heiduk
und Frau Ministerin Dr. Carola Reimann