Am 13.06.2025 waren Beratungsstellen und Gleichstellungsbeauftragte eingeladen, sich über „Aktuelle Informationen zur Versorgung von gewaltbetroffenen Frauen in Niedersachsen“ im Rahmen des Projektes „Worte helfen Frauen“ zu informieren. Neben aktuellen Einblicken in das Gewalthilfegesetz, hat sich das Netzwerk ProBeweis vorgestellt.
Gewalthilfegesetz – ein historischer Schritt:
Andrea Frenzel-Heiduk, die Leiterin des Referats 202 (u.a. Gewalt gegen Frauen und Mädchen) des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, gab einen Einblick und ein Update zur rechtlichen Entwicklung und Stand der Umsetzung des Gewalthilfegesetzes.
Dabei hob sie hervor, dass das Gewalthilfegesetz zwar nicht ideal sei, es aber einen historischen Schritt markiere, um geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt wirksam zu bekämpfen und Betroffenen flächendeckend Zugang zu Hilfsangeboten zu ermöglichen.
Denn: Das Gewalthilfegesetz stellt erstmals bundesgesetzlich sicher, dass gewaltbetroffene Frauen einen kostenfreien Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung haben.
Das zentrale Ziel: Die Unterversorgung im Hilfesystem beheben.
„Ziel des Gesetzes ist es, ein bedarfsgerechtes Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt bereitzustellen. Aufgaben eines bedarfsgerechten Hilfesystems sind, vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt zu schützen, bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt zu intervenieren, deren Folgen zu mildern sowie präventiv tätig zu werden.“ (GewHG §1, 1 Absatz)
Zahlen und Fakten
- bis Dezember 2026 müssen die Bundesländer dem Bund eine Umsetzungsstrategie (u.a. Bestands- und Bedarfsanalyse, Entwicklungsplanung, Zeit-und Kostenplan) vorlegen
- der Bund beteiligt sich finanziell mit 2,6 Milliarden Euro von 2027 bis 2036
- das Land Niedersachsen bekommt davon ca 200 Millionenfür die Umsetzung des Ausbaus, Umbaus und der Umsteuerung
- der individuelle kostenfreie Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung gilt ab dem 01.01.2032.
Niedersachsen entwickelt derzeit eine Strategie, bei der der Schwerpunkt auf dem Bereich der Prävention liegen soll. Dazu gehört u.a. ein frühzeitiger Beginn der Sensibilisierung gegen Gewalt und Gewalt in allen Formen zu erkennen und ein Schwerpunkt im Quartier im persönlichen Lebensumfeld der Menschen.
Dazu gehört begleitend auch der geplante Ausbau der Täterarbeit in Niedersachsen, der aber gesondert finanziert werden muss. Das Land erarbeitet derzeit eine Richtlinie für Täterarbeit, die einen stufenweisen Ausbau von Beratungsstellen und mehr Kursen (allerdings mit Landeshaushaltsmitteln) vorsieht. Neben der Prävention will sich das Land auch auf die Frauenhaus-Nachsorge konzentrieren und Angebote zum begleiteten Wohnen ausweiten.
Verbesserungen durch das Gewalthilfegesetz:
- individueller Rechtanspruch auf Schutz und Beratung (ab 2032)
- Schutz- und Beratungsangebote unabhängig vom Wohnort, z.B. können Frauen bundesweit in ein Frauenhaus gehen.
- Zugang zu Hilfsangeboten ist kostenfrei und unabhängig von Einkommen, Herkunft oder Aufenthaltsstatus. Damit ist auch die Unterbringung in Frauenhäusern kostenfrei, hilfesuchende Frauen müssen keinen Eigenanteil mehr durch private oder öffentliche Mittel (SGBII) leisten. Der Flickenteppich der Finanzierung löst sich auf.
- Verbindliche Mindeststandards für Hilfeeinrichtungen (Trägerschaft, Fachpersonal, Räumlichkeiten und Angebote z.B. bei Frauenhäusern)
Das Gesetz ist noch nicht ideal, es gibt noch Verbesserungsbedarf. Unter anderem werden nicht alle Gewaltformen explizit genannt (z.B. Digitale Gewalt).
Am Ende verdeutlichte Frau Frenzel-Heiduk nochmal, dass sich Deutschland mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention rechtlich dazu verpflichtet hat, auf allen staatlichen Ebenen alles dafür zu tun, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, Betroffenen Schutz und Unterstützung zu bieten und Gewalt zu verhindern. Die Istanbul-Konvention ist ein Bundesgesetz und muss umgesetzt werden.
Das Gewalthilfegesetz ist also kein „Nice-to-have“, sondern die Umsetzung der Istanbul-Konvention.
Neben dem ausführlichen Fachinput von Frau Frenzel-Heiduk, hat Manon Behrmann das Netzwerk ProBeweis vorgestellt.
Mit über 40 Untersuchungsstellen Kliniken in Niedersachsen- die alle die Standards 7/24, Unfallchirurgie, Gxyäkologie und vom ProBeweis geschult mit standardisierten Kits erfüllen, bietet das Netzwerk ProBeweis Betroffenen von häuslicher oder sexueller Gewalt eine vertrauliche und gerichtsverwertbare Verletzungsdokumentation sowie Spurensicherung. Dieses vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung geförderte Angebot ist für die Betroffenen kostenlos und verschafft ihnen Zeit für die Entscheidung über eine Strafanzeige. Niedersachsen hat als erstes Bundesland die Finanzierung der Untersuchungen im Netzwerk ProBeweis mit den gesetzlichen Krankenkassen abschließend geregelt. Damit ist die vertrauliche Spurensicherung in Niedersachsen eine kassenfinanzierte Leistung.
In ihrem Vortrag ist Frau Behrmann auf verschieden Punkte eingegangen, u.a. auf:
- Zielgruppe: alle Personen, die von Gewalt (Häusliche, Partnerschafts und Sexueller Gewalt) betroffen sind, und noch unsicher bezüglich einer Anzeige sind. Das Angebot gilt für alle einwilligungsfähigen Personen, auch Männer.
- Angebot des Netzwerkes: Gerichtsverwertbare (Foto-)Dokumentation und Spurensicherung, Ärztliche Beratung unter Gewährleistung der Schweigepflicht, Kontakt zu Unterstützungsorganisationen bei Bedarf, Sichere Lagerung und Dokumentation aller Spuren – mindestens 3 Jahre lang
- Ablauf und Vorgehensweise: Schriftliche Einwilligung, Dokumentation der Verletzungen und Spurensicherung, auf Wunsch Vermittlung zu weiterführenden Hilfsangeboten, Lagerung der Dokumentation und Spuren
- Finanzierung: Die Untersuchung ist für alle Personen immer kostenfrei. Die Finanzierung erfolgt unter Wahrung der Anonymität durch die gesetzlichen Krankenkassen sowie für die Nichtversicherten und Privatversicherten, die das Gesetz nicht umfasst ,durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung.
- Partnerkliniken in Niedersachsen: 44 Untersuchungsstellen
In einer darauffolgenden Fragen- und Diskussionsrunde war auch Sarah Stockhausen dabei. Sie ist Fachärztin für Rechtsmedizin und arbeitet seit vielen Jahren gemeinsam mit der Gründerin des Netzwerkes Prof. Dr. Anette Debertin als Ärztin beim Netztwerk ProBeweis.
Auf der Website www.probeweis.de finden Interessierte weiterführende Informationen, u.a. ein leicht verständliches FAQ .
Die Online-Veranstaltung war mit 120 Teilnehmer:innen aus verschiedenen Fachbereichen (Gleichstellungsbeauftragte, Verwaltungen, Beratungsstellen uvm.) ein voller Erfolg.